12. August – 07. Oktober 2010

Arte Beco

Mit dem Brasilien-Schweizer Orlando Geremia Schüpbach macht ein Künstler im BRASILEA Station, der ein ganzes Stockwerk in eine Favela verwandelt und so wie gerufen, gewünscht oder beschwört in das Konzept der noch jungen Institution am Basler Rheinhafen passt. Wie mit der permanenten Sammlung des Stifters Walter Wüthrich geht es ja darum, hier brasilianische Kultur zu vermitteln und insbesondere den Austausch zwischen der Schweiz und Brasilien zu fördern.

Der 1950 in Bern geborene, häufig in Salvador lebende Künstler nennt sich selber „Tänzer – Schauspieler- Choreograf-Regisseur-Produzent-Bohemien“, wobei die Reihenfolge auch gut umgekehrt sein könnte und in der Aufzählung seiner Talente und Berufe der „Maler“ fehlt. Um diesen geht es aber vor allem in diesem Projekt, das „Arte Beco“ heisst und dem Alltagsleben in den Quartieren von San Salvador da Bahia, seinen Gassen, Behausungen, Läden und seinen Menschen gewidmet ist. In eine von Schüpbach wie 2003 in Bahia selber, 2007 in Bern selber gebaute Favela hängt er seine Bilder, die eben diese pittoreske Welt in einer eigenständigen und ausdrucksstarken Bildform zeigen. Alles wirkt authentisch, intensiv erlebt, und nährt seine Kraft an der ausserordentlichen Persönlichkeit dieses „Orlando furioso“ mit zarten, poetischen Seiten.

Er zeigt in Basel gut siebzig zwischen 2002 und 2007 entstandene, starkfarbene, ja häufig bunte, auf Leinwand gemalte Bilder, die roh gezimmert und gebostitscht von ihm selber gerahmt sind. Sie zeigen die mythische Stadt am Meer, die splendiden Aussichten von den Favelas, herrliche Strände, sie führen in die „Becos“, die Sackgassen und also ins Labyrinth, sie zeigen Stadtansichten samt Sehenswürdigkeiten, Strassenzüge voller Werbung, Läden und emsige Märkte. Vor allem aber gehen sie dem alltäglichen Leben nach, dieser ungeheuren Lebensfülle, dieser Vitalität in mitten des Reichtums und der Armut. Sie pendeln zwischen Darstellungen der Arbeit, der leisen Melancholie und des Müssiggangs.

Orlando hat sich eine ganz eigenständige Bildsprache bewahrt, eine Art Naivität, die höchstens an „street art“ und „comic“ geschult ist: Die adäquateste Entsprechung zur Härte und Wärme der sozialen Wirklichkeit, gefüllt mit intensiver Emotionalität. Diese Malerei vibriert. Sie ist ganz aus dem Erleben und der Anschauung gewonnen, obwohl die Bilder teilweise in der Schweiz und nach Fotos entstanden sind. Aber immer erzählen sie, prall voller Erinnerung, von einer Stadt, die zum Schmelztiegel der Kulturen wurde und noch immer als das kulturelle Herz des Landes pocht. Weil die Bilder in ihrer nachgebauten Umgebung zu sehen sind, wirken sie mehr als blosse „Kunst“, sondern als Zeugnisse eines ganzen Lebenszusammenhangs, vom Abenteuer des Lebens, des Lebensmuts. Die Botschaft unseres brasilophilen Tänzers und Träumers, des Malers und Chronisten Orlando Geremia Schüpbach handelt von der exotischen Schönheit der Bohème des Alltags.